Das Verständnis der molekularen und zellulären Grundlagen des Alterns hat in den letzten Jahren exponentiell zugenommen.
In der Wissenschaft ist es mittlerweile allgemein anerkannt, dass Altern ein beeinflussbarer Prozess ist; er kann nicht nur beschleunigt, sondern auch verlangsamt und sogar umgekehrt werden.
1. NAD+-Therapie mit Nahrungsergänzungsmitteln (Die gängigste Form)
Dabei werden NAD+-Vorstufen – Verbindungen, die der Körper zur NAD+-Produktion nutzt – oral oder sublingual eingenommen. Dies ist die Grundlage der meisten NAD+-Therapien für Verbraucher und Wellness-Anbieter.
Gängige Vorstufen:
Nicotinamid-Ribosid (NR): Wird unter Markennamen wie Tru Niagen vertrieben. Umfangreiche klinische Studien am Menschen belegen, dass es den NAD+-Spiegel sicher erhöht und Marker der kardiovaskulären und metabolischen Gesundheit verbessern kann.
Nicotinamid-Mononukleotid (NMN): Weit verbreitet als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich. Bei Mäusen äußerst wirksam, Daten zum Menschen liegen jedoch noch nicht vor. Die Zulassung von NMN als Nahrungsergänzungsmittel in den USA wurde von der FDA angefochten.
Nicotinamid (Nam) und Niacin (NA): Formen von Vitamin B3. Wirksam, aber mit Einschränkungen (Niacin verursacht Hautrötungen; Nicotinamid kann in hohen Dosen Sirtuine hemmen).
Wirkmechanismus: Diese Verbindungen umgehen die geschwindigkeitsbestimmenden Schritte der NAD+-Biosynthese und ermöglichen es den Zellen, insbesondere in wichtigen Organen wie Leber, Gehirn und Muskeln, ihre sinkenden NAD+-Speicher wieder aufzufüllen.
Ziel: Verlangsamung der Zellalterung, Steigerung der Mitochondrienfunktion, Verbesserung der DNA-Reparatur und Unterstützung des Stoffwechsels durch Aktivierung von Sirtuinen (SIRT1, SIRT3) und anderen NAD+-abhängigen Enzymen.
2. Intravenöse (i.v.) NAD+-Therapie (Ein neues klinisches Verfahren)
Dies ist ein direkterer, intensiverer und medizinisch definierter Ansatz, bei dem bioidentisches NAD+ intravenös verabreicht wird.
Das Verfahren: Eine langsame i.v.-Infusion, oft über 2–4 Stunden, führt NAD+ direkt in den Blutkreislauf. Die Behandlung kann über mehrere Tage wiederholt werden (gemäß einem Protokoll).
Vorgeschlagene Begründung: Die intravenöse Therapie umgeht den Darm vollständig und erreicht so potenziell höhere Zellkonzentrationen im Zielgewebe ohne Verdauung oder First-Pass-Effekt in der Leber.
Angegebene Anwendungsgebiete (anekdotische und klinische Berichte):
Schnelle Entgiftung und Suchtbehandlung (Alkohol, Opioide, Stimulanzien) – dies ist die am besten belegte, wenn auch noch nicht zugelassene Anwendung. Die Theorie besagt, dass die Therapie hilft, die Gehirnchemie zu „resetten“ und neuronale Schäden zu reparieren.
Schwere chronische Müdigkeit (z. B. bei Long COVID, ME/CFS)
Akute Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten und Linderung von Konzentrationsschwierigkeiten
Neurodegenerative Erkrankungen (Parkinson, Alzheimer – sehr experimentell)
Anti-Aging-„Verjüngung“
Wichtige Hinweise zur intravenösen Therapie:
Begrenzte Evidenz: Obwohl überzeugende Erfahrungsberichte und einige kleinere klinische Berichte vorliegen, fehlen im Vergleich zu oralen Vorstufen wie NR groß angelegte, randomisierte, kontrollierte Studien (RCTs).
Kosten & Verfügbarkeit: Sehr teuer (Hunderte bis Tausende von Dollar pro Protokoll), typischerweise angeboten in spezialisierten Kliniken für funktionelle Medizin oder Wellness.
Nebenwirkungen: Kann während der Infusion zu Engegefühl in der Brust, Angstzuständen, Übelkeit und Müdigkeit führen (wahrscheinlich aufgrund einer schnellen Zellaktivierung). Muss von medizinischem Fachpersonal verabreicht werden.
Regulierung: Es handelt sich um eine nicht zugelassene Anwendung eines Moleküls, nicht um eine von der FDA zugelassene Behandlung für eine spezifische Erkrankung.
3. Kernidee jeder NAD+-Therapie: Dem NAD+-Abfall entgegenwirken
Alle Formen basieren auf der gleichen wissenschaftlichen Prämisse, die unten dargestellt ist:

Aktueller medizinischer und wissenschaftlicher Konsens
1. Die Wissenschaft ist fundiert: Die Biologie von NAD+ und sein alters-/stressbedingter Rückgang sind in der Fachliteratur gut belegt.
2. Orale Vorstufen erhöhen nachweislich den NAD+-Spiegel: NR und NMN haben in mehreren Humanstudien nachweislich den NAD+-Spiegel im Blut signifikant erhöht. Die Evidenz für funktionelle Vorteile (z. B. verbesserte arterielle Flexibilität, Insulinsensitivität) ist vielversprechend und nimmt zu.
3. Intravenöses NAD+ ist spekulativer: Es stellt eine aggressivere Intervention dar. Obwohl der Wirkmechanismus plausibel ist und es Berichte über die Wirksamkeit bei bestimmten Erkrankungen gibt (z. B. Suchterkrankungen in klinischen Studien), fehlen die umfangreichen und fundierten Langzeitdaten am Menschen im Vergleich zu oralen Vorstufen. Es gilt für die meisten Indikationen als experimentell.
4. Kein Wundermittel: Die NAD+-Therapie sollte am besten als wirksame unterstützende Maßnahme im Rahmen einer ganzheitlichen Ernährung, Bewegung und ausreichend Schlaf betrachtet werden. Sie behebt einen grundlegenden Stoffwechselmangel, ist aber keine alleinige Heilung komplexer Erkrankungen.
So gehen Sie mit der NAD+-Therapie um
Für allgemeine Gesundheit und Prävention: Hochwertige orale NAD+-Vorstufen (NR oder NMN) sind der evidenzbasierte, sichere und leicht zugängliche Ausgangspunkt.
Bei einer spezifischen, schwächenden Erkrankung: Wenn Sie intravenöses NAD+ in Betracht ziehen, ist es wichtig:
sich nach den Protokollen, Sicherheitsmaßnahmen und der Erfahrung der Klinik zu erkundigen.

Dr. Med. Mahmoud Taghavi
Facharzt für Allgemeinmedizin
Facharzt für Arbeitsmedizin FMH
BAV-Offizierarzt
Taucherarzt (SUHMS / GTÜM)